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45 Natur und Recht 1 (2023)

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                                                                                             NuR   (2023) 45:1-5  1


 AUFSATZE



 https://doi.org/10.1007/s10357-022-4125-2

 Friktionen zwischen Versorgungssicherheit und Naturschutz -

 Planung und Bau von Hbchstspannungsleitungen

Andreas Decker*



© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023.


Die  Sicherstellumg der Energieversorgung in Deutschland ist aktu-
ell eines der beherrschenden Themen. Das gilt namentlih ffir die
,Stromversorgung. Diese hat nii dem Problem zu kdmjlfen, dass der
Ort der Erzeugung in der Regel nicht mit dem Ort des V/erbrauchs
identisch ist und der Strom daher von A nach B transjportiert wer-
den muss. Das gilt namentlich flr den sog. W4indstrom, der vor al-
lem  im Norden der Republik erzeugt, aber von der Industrie im
W4esten und Sfiden gebraucht wird. Nun lisst sich elektrische Ener-
gie nicht mittels Lkw, Bahn oder Filugzeug transportieren. V/iel-
mehr  bedarf es hierzu entsprechender Leitungen, regelmd4/ig
380-kV-Hichstsjpannigsleitungen, die fiber weite Strecken ge-
ffilhrt werden mfissen. Nach der Konzeption des Energieleitungs-
rechts in Deutsch land werden sie im Grundsatz als Freileitungen
errichtet und werfen deshalb nicht unerhebliche Pro bleme, vor allem
solche naturschutzrechtlicher Art auf. Energieversorgung und Na-
turschutz stehen folglich in einemi Spannungsverhdltnis, das es gilt
bei Planung und Ban von Hochstspannnusle itingen aufzultosen.

1. Einleitung

Wohl   selten hat ein Thema in der Vorbereitung so schnell
an Aktualitit gewonnen,  wie das Vorliegende, das sich mit
Fragen  der Versorgungssicherheit im Stromsektor  befasst.
Aufgrund  des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine
steht in Deutschland  die Energieversorgung  vor schwer-
wiegenden   Problemen. Zwar  ist die Abschaltung der letz-
ten  (drei) Kernkraftwerke zum  31. Dezember  2022  bzw.
jetzt wohl erst Mitte April 2023, die zum Ausfall von ak-
tuell noch 6 % der konventionellen Stromerzeugung fihrt,1
ein ,,selbstgemachtes Problem, das der sog. Energiewende2
geschuldet ist. Nicht vorhersehbar war aber, dass auch die
Produktion   von Strom  durch Erdgaskraftwerke,  die im-
merhin  mit  11,7 % zur Stromeinspeisung beitragen,3 auf-
grund   der Einschrinkung  russischer Gaslieferungen ge-
flhrdet  sein k6nnte. Dass es ausgerechnet  ein ,,griner
Wirtschaftsminister ist, der angesichts dieser Umstande auf
eine Erh6hung  der Kohleverstromung   (aktuell etwa 31,4 %
der Stromeinspeisung)4 dringt, darf durchaus als Ironie des
Schicksals bezeichnet werden.
   Das Ziel der Energiewende ist es, die Energieversorgung
 auf erneuerbare Energien umzustellen - beim Stromsektor,
 aber auch bei Wirme  und Verkehr. Im Stromsektor gilt es,
 die sichere Versorgung weiter zu gewihrleisten und Strom
 bezahlbar zu halten. Das ist ein anspruchsvolles, da kom-
 plexes technisches Unterfangen. Mit der Energiewende soll
 sich die Stromerzeugung  immer  mehr  von konventionel-
 len Kraftwerken in der Mitte und im Saden  Deutschlands
 hin zu Windkraftanlagen an Land  (On-Shore) und  auf See
 (Off-Shore) verlagern. Gleichzeitig liegen die Verbrauchs-
 zentren aber aberwiegend im Saden  und Westen  Deutsch-
 lands. Daher muss das Stromabertragungsnetz vor allem in
 Nord-Sad-Richtung   ausgebaut werden.5 Das erfordert leis-


 Dr. Andreas Decker, Richter am Bundesverwaltungsgericht,
 Lehrbeauftragter Universitat Augsburg,
 Leipzig/Augsburg, Deutschland


tungsfdhige  ,,Stromautobahnen  im  Drehstrom-H6chst-
spannungsbereich  mit 380 kV, fur die entsprechende Ge-
nehmigungen   erforderlich sind.
  Hier  offenbart sich allerdings ein erstes grundlegendes
Problem:  Windkraftanlagen   erzeugen Gleichstrom.  Die-
ser wird ,,vor Ort in Wechselstrom umgewandelt,  womit
sich sofort ein Transportproblem ergibt, weil bei Wech-
selstrom - anders als bei Drehstrom - 380-kV-Erdleitun-
gen noch  nicht Stand der Technik  sind6; es bedarf daher
entsprechender Freileitungsbauwerke, die insbesondere in
Bezug  auf den Vogelschutz erhebliche Probleme aufwerfen
(siehe unten). Warum  der ,,grine Strom nicht fiber Erd-
kabel als Gleichstrom von Nord nach West bzw. Sud trans-
portiert und erst am Verteilort in Wechselstrom umgewan-
delt wird, erschlie3t sich daher nicht ohne weiteres (ein in
der Erde verlaufendes Kabel gefdhrdet jedenfalls keine V6-
gel). Immerhin sind mit dem Sudlink und  dem Sudostlink
die ersten gro3en Gleichstrom-Erdkabel-Autobahnen   der-
zeit in Planung9.

*) Uberarbeiteter und aktualisierter Vortrag, den der Verfasser auf
  den 28. Wnirzburger Europarechtstagen am 1.7.2022 gehalten hat.
1) Angabe fur das erste Halbjahr 2022; vgl. Statistisches Bundes-
  amt, Energieerzeugung, Stand 8.11.2022, abrufbar unter https://
  www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Ener-
  gie/Erzeugung/_inhalt.html;jsessionid=B2BE600304F86C-
  5CE50CD8F712E631B9.live731.
2) Hierbei handelt es sich um den deutschsprachigen Begriff fir den
  Ubergang von der nicht-nachhaltigen Nutzung von fossilen Ener-
  gietragern sowie der Kernenergie zu einer nachhaltigen Energie-
  versorgung mittels erneuerbarer Energien.
3) Angabe ffir das erste Halbjahr 2022; vgl. Statistisches Bundes-
  amt, Energieerzeugung, Stand 8.11.2022, abrufbar unter https://
  www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Ener-
  gie/Erzeugung/  inhalt.html;jsessionid=B2BE600304F86C-
  5CE50CD8F712E631B9.live731.
4) Angabe fnr das erste Halbjahr 2022; vgl. Statistisches Bundes-
  amt, Energieerzeugung, Stand 8.11.2022, abrufbar unter https://
  www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Ener-
  gie/Erzeugung/  inhalt.html;jsessionid=B2BE600304F86C-
  5CE50CD8F712E631B9.live731.
5) Appel, UPR 2u18, 281.
6) BVerwG, Beschl. v. 27.7.2020 - 4 VR 7.19 u. a. - NVwZ 2021,
  723 Rdnr. 105; BT-Drs. 18/4655 S. if.
7) Der Snidlink besteht aus zwei H6chstspannungs-Gleichstrom-
  Ubertragungs-Verbindungen von Brunsb ittel (Schleswig-Hol-
  stein) bis nach GroBgartach (Baden-Wirttemberg) bzw. von
  Wilster (Schleswig-Holstein) bis nach Bergrheinfeld (Bayern). Im
  Bundesbedarfsplangesetz ist der Siidlink als Vorhaben Nr. 3 und 4
  verzeichnet.
8) Die Gleichstromverbindung soll zwischen Wolmirstedt bei Mag-
  deburg (Sachsen-Anhalt) und dem Standort Isar bei Landshut
  (Bayern) verlaufen. Im Bundesbedarfsplangesetz ist der Siidost-
  link als Vorhaben Nr. 5 verzeichnet.
9) Beide Trassen wurden allerdings bereits im Vorfeld der - noch
  ausstehenden - Planfeststellung vom Land Thnringen sowie von
  einem Landkreis und zwei Umweltverbanden - erfolglos - be-
  kUmpft; siehe BVerwG, Beschl. v. 9.5.2019 - 4 VR 1.19 - NVwZ
  2019, 1357 einerseits und Beschl. v. 24.3.2021 - 4 VR 2.20 -
  NVwZ   2021, 618 andererseits.


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