About | HeinOnline Law Journal Library | HeinOnline Law Journal Library | HeinOnline

58 Der Staat 1 (2019)

handle is hein.journals/destaat58 and id is 1 raw text is: 





DER STAAT 58 (2019), 1 5
Duncker & Humblot, 12165 Berlin




                             EDITORIAL

                In wessen Namen? Eine Schicksalsfrage
          für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte


  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte steht unter Beobach-
tung. Die Konventionsstaaten legen in Paragraf 41 ihrer Kopenhagener Er-
klärung vom April 2018 fest, dass seine neuere Rechtsprechung evaluiert wer-
den soll, um im Jahre 2019 über weitere Reformschritte zu entscheiden.' Es
fällt nicht schwer, darin eine Mahnung, ja eine Drohung zu lesen.

  Wie sollte eine solche Bewertung stattfinden? Nahe liegen zum einen der
Blick auf die Quelle seiner demokratischen Legitimation, zum anderen auf
seine Aufgaben und Herausforderungen. Beides läuft 2019 zusammen: Der
Gerichtshof entscheidet, so die hier vertretene These, im Namen des europäi-
schen Clubs rechtsstaatlicher Demokratien, und die größte Herausforderung
besteht darin, dass dies weiterhin glaubwürdig ist.
  Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs benennen, anders als deutsche,
französische oder polnische Gerichte, die Quelle ihrer Legitimation nicht.
Was könnte dort stehen? Man könnte denken an: Im Namen der Konvention,
entsprechend einem Im Namen des Gesetzes. Dies würde aber verkennen,
dass nicht das Gesetz, sondern der ihm zugrunde liegende parlamentarische
Beschluss die eigentliche Quelle bildet. Mit einem klassischen völkerrechtli-
chen Verständnis könnte man daher überlegen: Im Namen der streitenden
Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben. Das macht für den Straßburger Ge-
richtshof aber offensichtlich keinen Sinn, da die regelmäßige Streitkonstel-
lation zwischen einem Staat und einem seiner Bürger ist. Eine passende For-
mel lautet vielmehr Im Namen des europäischen Verbunds rechtsstaatlicher
Demokratien.
  Die demokratische Legitimation des Gerichtshofs beruht auf der Ratifika-
tion der Konvention durch alle Vertragsparteien. Er entscheidet also Im Na-
men aller Konventionsstaaten. Das holistische alle ist wichtig: Seine Recht-
sprechung betrifft nicht nur den konkret verklagten Staat, sondern dient ei-
nem gemeinsamen Anliegen. Die Kopenhagener Erklärung spricht von ‹Men-
schenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Europa.
  Die EMRK lässt nicht nur den traditionellen Bilateralismus des Völker-
rechts weit hinter sich, sondern auch seinen traditionellen Werterelativis-
mus. Die Konventionsstaaten qualifizieren sich durch ihre Teilnahme im Sys-

  1 http://rm.coe.int/copenhagen-declaration/16807b915c.


DER STAAT 58 (2019) 1

What Is HeinOnline?

HeinOnline is a subscription-based resource containing thousands of academic and legal journals from inception; complete coverage of government documents such as U.S. Statutes at Large, U.S. Code, Federal Register, Code of Federal Regulations, U.S. Reports, and much more. Documents are image-based, fully searchable PDFs with the authority of print combined with the accessibility of a user-friendly and powerful database. For more information, request a quote or trial for your organization below.



Short-term subscription options include 24 hours, 48 hours, or 1 week to HeinOnline.

Contact us for annual subscription options:

Already a HeinOnline Subscriber?

profiles profiles most