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42 Natur und Recht 1 (2020)

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                                                                                         NuR   (2020) 42:1-5 1


 AUFSATZE


 https://doi.org/10.1007/s10357-019-3623-3

Aktuelle FFH-Judikatur zum Projektbegriff

und zur Gebietsabgrenzung

Walter  Frenz



© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020


Der Projektbegrioffnet das Tor zur FFH-Vertrglichkeitsprffung
bei erheblichen Beeintrchtigungen auf ein Schutzgebiet. Seine
sachgerechte Abgrenzung ist daher von grundlegender Bedeutung.
Aktuelle Urteile betreffen sowohl die Grundkonzeption als auch
verschiedene Anwendungsfelder wie Kraftwerke, Windenergiean-
lagen und landwirtschaftliche Aktivitdten. Basis ist aber ein beste-
hendes Habitatschutzgebiet.

1. Notwendiges   hohes  Niveau  des Habitatschutzes

Der  EuGH   betonte erst jiingst wieder die groBe Bedeu-
tung des Habitatschutzes: Nach Art. 2 Abs. 2 FFH-RL zie-
len die von den Mitgliedstaaten zu treffenden MaBnahmen
darauf ab, einen giinstigen Erhaltungszustand der nattirli-
chen Lebensrsume  und wildlebenden Tier- und Pflanzen-
arten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder
wiederherzustellen, um das allgemeine Ziel der Richtlinie,
ein hohes Niveau  des Umweltschutzes fur die gemOf der
Richtlinie geschiitzten Gebiete zu gewahrleisten, zu ver-
wirklichen.1 Sobald also ein Schutzgebiet vorliegt, ist ein
hohes Schutzniveau zu wahren, wie es dem generellen An-
liegen des Umweltschutzes nach  Art. 191 Abs. 2 AEUV
entspricht. Wegen des Ziels, die Habitatschutzgebiete als
Bestandteil des Netzes Natura 2000 zu erhalten, ist die-
ser Gebietsschutz streng zu sehen. Dementsprechend be-
tont der EuGH  das notwendige Priifverfahren nach Art. 6
Abs. 3 FFH-RL   fur Plane oder Projekte, die nicht unmit-
telbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung ste-
hen oder hierfiir nicht notwendig sind, ein solches Gebiet
jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen
Planen und  Projekten erheblich beeintrachtigen kbnnten,
um  die Vertraglichkeit mit den fur dieses Gebiet festge-
legten Erhaltungszielen festzustellen. Diese vorherige Kon-
trolle soll gewahrleisten, dass diese Plane und Projekte das
Gebiet als solches nicht beeintrachtigen.2
  Auch  hieran zeigt sich die Bedeutung des Projektbegriffs.
Nur  wenn er erfiillt ist, kann das Prufprogramm einsetzen.
Daher muss er tendenziell weit sein, soll ein wirksamer Ge-
bietsschutz sichergestellt sein. Ansonsten wurde er zahlrei-
che Vorgange und  Vorhaben gar nicht erfassen.

2. Notwendiges   Anknipfen   an bestehende   Habitat-
schutzgebiete  am  Beispiel des Hambacher   Forstes

Es bleibt allerdings auch nach den jiingsten EuGH-Urteilen
die Ankniipfung daran, dass iuberhaupt ein Habitatschutz-
gebiet vorliegt. Ein solches kann daher nicht einfach im
Hinblick auf die Effektivitst des FFH-Regimes bestimmt
werden, sondern es ist das formale Verfahren einzuhalten,
soweit die Mitgliedstaaten geniigend Gebiete gemeldet ha-
ben, die von der Kommission bestatigt und in die Gemein-


schaftsliste Natura 2000 aufgenommen wurden. Zunschst
haben gem. Art. 4 Abs. 1 FFH-RL die Mitgliedstaaten nach
den in Anhang  III Phase 1 festgelegten Kriterien und ein-
schlagigen wissenschaftlichen Informationen eine Liste von
entsprechenden  Gebieten vorzuschlagen. Den  Mitglied-
staaten steht zwar ein naturschutzfachlicher Beurteilungs-
spielraum zu,3 dieser kann aber bei fur den Artenschutz
besonders bedeutsamen  Gebieten auf Null reduziert sein.
Das BVerwG   sieht eine Gebietsmeldung nur dann als zwin-
gend an, wenn  und soweit die fraglichen Flschen die von
der FFH-RL  vorausgesetzte bkologische Qualitst zweifels-
frei aufweisen. Diese Gebietsteile diirfen nicht ausgespart
werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorha-
ben.4 Insoweit bejaht das BVerwG auch eine nachtragliche
Pflicht zur Gebietsausdehnung und im  Ansatz - nicht in
den entschiedenen Fsllen - auch zur nachtraglichen Mel-
dung.6 Eine solche wird auch fur den Hambacher Forst ver-
langt und vom  OVG   Munster nicht ausgeschlossen, wes-
halb ein vorlaufiger Rodungsstopp ausgesprochen wurde.7
  Indes wird  damit das System  der FFH-RL iubergan-
gen, welches einen gestuften Auswahlprozess mit letztli-
cher Festlegung durch die Kommission und nicht etwa die
nationale Judikatur vorsieht.8 Nicht umsonst besteht nach
dem  BVerwG   eine Vermutungswirkung   der Richtigkeit
der mitgliedstaatlichen Vorauswahl und der diese beststi-
genden Kommissionsfestlegung.9


1) EuGH, Urt. v. 29.7.2019 - C-411/17, ECLI:EU:C:2019:622,
  NuR  2019, 538, Rdnr. 116 - Inter-Environnement Wallonie
  (Doel) sowie m.w.N. EuGH, Urt. v. 17.4.2018 - C-441/17,
  ECLI:EU:C:2018:255, NuR 2018, 327, Rdnr. 106 - Wald von
  Bialowieza.
2) EuGH, Urt. v. 29.7.2019 - C-411/17, ECLI:EU:C:2019:622,
  NuR  2019, 538, Rdnr. 117 - Inter-Environnement Wallonie
  (Doel); m.w. N. EuGH, Urt. v. 17.4.2018 - C-441/17, ECLI:EU:
  C:2018:255, NuR 2018, 327, Rdnr. 108 - Wald von Bialowieza
  sowie EuGH, Urt. v. 26.7.2018 - C-164/17, EU:C:2018:593,
  Rdnr. 32 - Grace und Sweetman.
3) BVerwG, Beschl. v. 24.8.2000 - 6 B 23.00, NuR 2001, 45;
  BVerwG,  Urt. v. 28.4.2016 - 9 A 9.15, BVerwGE 155, 91,
  Rdnr. 99; naher J. Schumacher/A. Schumacher, in Schumacher/Fi-
  scher-Hiiftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2010, 531 Rdnr. 54ff.
4) BVerwG, Urt. v. 28.4.2016 -9 A 9.15, BVerwGE 155, 91, Rdnr. 99.
5) BVerwG, Urt. v. 14.4.2010 - 9 A 5.08, BVerwGE 136, 291, NuR
  2010, 558, Rdnr. 38; Urt. v. 6.11.2012 - 9 A 17.11, BVerwGE
  145, 40, NuR 2014, 344, Rdnr. 22; Urt. v. 28.3.2013 - 9 A 22.11,
  BVerwGE  146, 145, NuR 2013, 565, Rdnr. 36; Urt. v. 28.4.2016 -
  9 A 9.15, BVerwGE 155, 91, Rdnr. 99. Einen Sonderfall bildet
  BVerwG, Urt. v. 15.7.2016 - 9 C 3.16, NuR 2016, 694, Rdnr. 33
  zur Dresdener Waldschldsschenbriicke.
6) BVerwG, Beschl. v. 22.6.2015 - 4 B 59.14, NuR 2015, 772,
  Rdnr. 23 a. E.; BVerwG, Beschl. v. 14.4.2011 - 4 B 77.09, juris,
  Rdnr. 39.
7) OVG Minster, Beschl. v. 5. 10.2018 - 11 B 1129/18, NuR 2018,
  797; krit. auch Durner/v. Weschpfennig, NVwZ 2018, 1821.
8) Naher Frenz, RdE 2019, 49, 51.
9) Etwa BVerwG, Urt. 28.4.2016 - 9 A 9.15, BVerwGE 155, 91,
  Rdnr. 99; auch OVG Minster, Beschl. v. 5.10.2018 - 11 B
  1129/18, NuR 2018, 797, Rdnr. 33.


I Springer


Prof. Dr. jur. Walter Frenz, Maitre en Droit Public,
lehrt Berg-, Umwelt- und Europarecht
an der RWTH Aachen University,
Aachen, Deutschland

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