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29 Natur und Recht 1 (2007)

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Natur und Recht (2007) 29: 1-8  1


DOI: 10.1007/s10357- 006-1176-8

Die erforderlichen Abstinde zwischen Betrieben nach der

Stbrfall-Verordnung und Wohngebieten oder anderen schutz-

wirdigen Bereichen nach §50 S. 1 BlmSchG

Hans   Walter   Louis  LL.M.
Verena   A. Wolf  1



© Springer-Verlag 2006


In der Bundesrepublik git es rund 8000 Anlagen, die der so
genanuten Seveso-II-Richtliuie - Richtlinie zur Beherrschung
der Gefahren bei schweren Unfallen mit gefdhrlichen Stoffen (Se-
veso-II-RL)2 - und damit der nationalen Storfall-Verordnung
(StorfallV)3 unterliegen. Davon liegen, insbesondere in dicht be-
siedelten Regionen, zahlreiche Anlagen in unmittelbarer Nahe zu
anderen Projekten, wie beispielsweise Flughafen oder Wohn- und
Siedlungsgebieten. Inzwischen gibt es Empfehlungen fir Abstan -
de zwischen Anlagen nach der StorfallV und Wohngebieten. Der
Beitrag stellt dar, wann diese Abstande einzuhalten sind und ob
diese Regelungen auf naturschutzfachlich schutzwardige Bereiche
fbertragen werden kannen.

I. Einfhlirung

In Deutschland bestehen traditioneller Weise eine Vielzahl
von  Schutzgebieten. Zudem  wurden  in das koharente eu-
ropiische bkologische Netz ,,Natura-2000 mehr  als 10%
der Landesflache eingebracht.4 Dieses Netz besteht aus Ge-
bieten von gemeinschaftlicher Bedeutung  auf der Grund-
lage der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH-RL)5   und
Europiischen  Vogelschutzgebieten auf der Grundlage der
Vogelschutz-Richtlinie (VRL)6.  Auf die Einfuhrung  be-
sonderer Schutzkategorien  fur die Natura-2000-Gebiete
hat der Bundesgesetzgeber  verzichtet, so dass die Unter-
schutzstellung nach den nationalen naturschutzrechtlichen
Schutzkategorien erfolgt. Diese Schutzgebiete unterliegen
aufgrund  ihres europarechtlichen Hintergrunds  anderen
rechtlichen Regelungen  als Schutzgebiete, die ausschlie3-
lich auf nationalem Recht  beruhen. Fur  ,,Natura-2000
Gebiete gilt z.B. die sog. FFH-Vertraglichkeitsprfung des
  34 BNatSchG.
  Die Seveso-II-RL,  die die Richtlinie 82/501/EWG   er-
setzt, verfolgt das Ziel, schwere Unfalle mit gefihrlichen
Stoffen zu verhindern und die Unfallfolgen fur Mensch und
Umwelt   zu begrenzen, um auf abgestimmte und wirksame
Weise  in der gesamten Gemeinschaft ein hohes Schutzni-
veau zu gewihrleisten. Anders als ihre Vorgangerrichtlinie
setzt sie nicht nur auf ,,technische Anlagensicherheit und
Katastrophenabwehr,  sondern verlangt auch eine planungs-
rechtliche Bewsltigung  der  zu  erwartenden  Probleme.
Hintergrund  der Regelung sind die schweren Industrieun-
falle in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, etwa in
Mittelamerika  und Indien, in Mexico  City und Bhopal8,
in Europa die Explosion einer Dungemittelfabrik in Tou-
louse imJahr 2001, eine Cyanidverseuchung  in Rumanien
im Jahr 2000  oder der Unfall mit Feuerwerkskbrpern  im
Mai  2000 in Enschede. Kernpunkt  ist die planerische Zu-



Ministerialrat Prof. Dr. Hans Walter Louis LL.M. UC Los Angeles,
Braunschweig, und Rechtsanwaltin Verena A. Wolf, Hannover


ordnung  bzw. Trennung  von Bodennutzungen   zur Lbsung
von Konflikten, die sich aus der Nahe von  Gebieten mit
Stbrfall-Anlagen zu  anderen sensiblen Nutzungen,   wie
z.B. Wohngebieten   und Infrastruktureinrichtungen oder
naturschutzfachlich schutzwurdigen Bereichen ergeben.

II.Anforderungen   der Seveso-II-Richtlinie an die Aus-
weisung  von  Flichen zu unterschiedlichen  Nutzungen

Nach  der Seveso-II-RL  sollen Nutzungen  in der Nach-
barschaft von gefihrlichen Industrieanlagen so angeordnet
werden, dass die Folgen eines schweren Unfalls keine zu-
sitzlichen Risiken erbffnen. Diese Zielsetzung ergibt sich
bereits aus der UN ECE9 Konvention tiber grenziberschrei-
tende Auswirkungen   von Industrieunfallen aus dem Jahr
1992. Deren  Zielsetzung ist ,,a consideration of the siting
of new and significant modifications to existing hazardous


1) Hans Walter Louis ist Leiter des Referats ,,Naturschutzrecht,
  Eingriffsregelung und Umweltvertraglichkeitsprifung und zur
  Zeit Leiter der Referatsgruppe Naturschutz im Niedersachsischen
  Umweltministerium, Hannover; Verena Wolf ist Referentin fir
  dffentliches Recht beim Verband der Chemischen Industrie e. V.,
  Landesverband Nord, Hannover. Der Beitrag gibt die persdnliche
  Auffassung der Autoren wieder.
2) Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. 12.1996 zur Beherrschung
  der Gefahren bei schweren Unfillen mit gefahrlichen Stoffen
  ABl. Nr. L 10 S. 13 vom 14.1.1997, geandert durch die Richtlinie
  2003/105/EG, ABl. Nr. L 345 S. 99 vom 31.12.2004.
3) Zwdlfte Verordnung zur Durchfihrung des Bundes-Immissi-
  onsschutzgesetzes (12. BImSchV) i. d.F. vom 8.6.2005, BGBI. I
  S. 1598.
4) In Deutschland sind mehr als 5,3 Mio ha als FFH-Gebiet an Land
  und im Meer gemeldet, so Bundesministerium fnr Umwelt, Na-
  turschutz und Reaktorsicherheit (BMU), www.bmu.de; Presse-
  mitteilung Nr. 027/06 vom 17.2.2006.
5) Sog. FFH-Gebiete aufder Grundlage der Richtlinie 92/43/EWG
  des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natiirlichen Lebens-
  raume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. Nr. L
  206, S. 7 zuletzt geandert durch Verordnung vom 31.10.2003,
  ABl. Nr. L 284 S. 1.
6) Richtlinie des Rates 79/409/EWG vom 2.4. 1979 fiber die Erhal-
  tung der wildlebenden Vogelarten, ABl. Nr. L 103 S. 1; zuletzt ge-
  andert durch Beitrittsakte vom 23.9.2003, ABl. Nr. L 236 S. 33.
7) Vgl. Art. 1 der Richtlinie 96/82/EG (Fn. 2).
8) Die Explosion eines Fliissiggaslagers mit einer Lagerkapazitat von
  15 Mio. Liter durch eine Serie von BLEVEs (= Boiling Liquid
  Expanding Vapour Explosion) forderte hunderte Todesopfer und
  tausende Verletzte. (Die Angaben fiber die Opferzahlen schwan-
  ken zwischen 600 und weit fiber tausend). Bei einem Unfall in
  einer Industrieanlage im indischen Bhopal im Jahre 1984 waren
  aufgrund des Austrittes grdferer Mengen von Methylisocyanat
  tausende Tote und mehrere Tausend Verletzte, bzw. bleibend Ge-
  schadigte zu beklagen.
9) United Nations Economic Commission for Europe.


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