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28 Natur und Recht 1 (2006)

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Natur und Recht - 2006 - Heft 1  1


DOI: 10.1007/s10357-005-0850-6

                               Umwelt-, Naturschutz- und Jagdrecht -
       Eine   kompetenzrechtliche Betrachtung im              Lichte der Foderalismusdebatte

                                      Von Professor Dr. Michael Kloepfer, Berlin*


Trotz des Scheiterns der Fderalismuskommission  bleibt die
Aufgabe  einer Reform des deutschen Fderalismus  bestehen.
Die nach kontroverser Diskussion in den letzten Monaten ab-
geebbte Debatte um  Mbglichkeiten und Grenzen  einer kom-
petenziellen Neuordnung insbesondere der Bereiche Umwelt-
schutz, Naturschutz und Jagdwesen hat sich somit nicht erledigt,
sondern wird bei der sich politisch abzeichnenden Wiederauf-
nahme  der Verhandlungen zu einer Fderalismusreform  fort-
zufuhren sein. Dies bietetAnlass zu einer Analyse der einzelnen
Positionen und Argumente. Niichtern betrachtet ldsst sich dabei
als Ergebnis empfehlen, eine einheitliche Umweltrechtskompe-
tenz (einschliep~lich Artenschutzrecht) zu schaffen, die Rahmen-
gesetzgebung allgemein abzuschaffen und das Jagdwesen allein
den Ldndern zu iiberantworten.

I. Einleitung
Bekanntlich hat die Kommission zur Modernisierung der bun-
desstaatlichen Ordnung (kurz: Fdderalismuskommission) ihre
Tatigkeit am 17.12.2004 eingestellt, ohne eine Einigung auf
ein gemeinsames  Reformkonzept  erzielt zu haben. Das An-
liegen, die bundesstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik
Deutschland  zu modernisieren, um die Handlungs- und Ent-
scheidungsfahigkeit von Bund und Landern zu verbessern, die
politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen und
die ZweckmafBigkeit und Effizienz der Aufgabenerfullung zu
steigern,1 ist damit freilich nicht aus der Welt geschafft. Auch
wenn  die rechtspolitische Diskussion derzeit von anderen
Themen  beherrscht wird, verbleibt das Anliegen einer Reform
des deutschen Fdderalismus daher auf der politischen Agenda.
Dies belegen nicht zuletzt AuBerungen seitens der CDU, wo-
nach sich Union und SPD  vor der Aufnahme  formaler Koali-
tionsverhandlungen dartiber einig sein missen, im Falle einer
groBen  Koalition eine F6deralismusreform auf den Weg  zu
bringen.2 Sollten diese Voraussetzungen eintreten, so steht zu
erwarten, dass die in der Fdderalismuskommission bezogenen
Standpunkte  und die sich dabei abzeichnenden Kompromisse
als Grundlage oder jedenfalls als Ausgangspunkt auch fur die
neue Fdderalismusdebatte dienen werden.
   Diese Prognose  gibt Anlass, die diversen Mdglichkeiten
einer Neuordnung  der Kompetenzen   in den Bereichen Um-
weltschutz, Naturschutz und Jagdwesen naher zu betrachten.
Besondere  Beachtung verdienen dabei im Folgenden die Aus-
wirkungen  der von der Kommission  diskutierten generellen
Abschaffung der Kategorie der Rahmengesetzgebungskompe-
tenz sowohl auf das Naturschutzrecht als auch das Jagdrecht.
Hierbei wird namlich  die Frage aufgeworfen, ob die Kom-
petenzen  in diesen Bereichen in eine Bundeszustandigkeit
,,hochgezont oder den Landern zugesprochen werden sollten.
Neben  dem  FUr und Wider der Schaffung einer einheitlichen
Gesetzgebungskompetenz   des Bundes fur den Bereich ,,Um-
welt sollen daher im Folgenden auch die jeweiligen Vor- und
Nachteile dieser Varianten naher betrachtet werden.

II. Eine allgemeine  ,,Umwelt-Kompetenz
   des  Bundes?
1. Verfassungsrechtliche  und umweltrechtliche
   Positionen in der Literatur
Den  Zielen der Reform der fdderalen Staatsordnung erscheint
es grundsatzlich fdrderlich, eine Reihe von Kompetenzen an


die Lander zu Ubertragen bzw. rickzuUbertragen, d.h. insge-
samt  die einschlagigen Landerkompetenzen auszudehnen.
Damit  allerdings ergibt sich eine durchaus interessante Kon-
frontation zwischen Vertretern des Verfassungsrechts und der
Politikwissenschaften einerseits und des Umweltrechts ande-
rerseits. Letztere namlich vertreten fur ihren Bereich Uberwie-
gend die gegenteilige Auffassung: Sie verlangen eine Starkung
der Bundeskompetenz    Es wird eine neue einheitliche kon-
kurrierende Zustandigkeit des Bundes im Umweltschutz  an-
gestrebt, u.a. um die Umsetzung des EU-Umweltrechts zu er-
leichtern, fur einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen
und - in der Sache letztlich auch um dieser Ziele willen - um
ein Umweltgesetzbuch zu erm6glichen.'

2. Position der Bundesregierung
Dieser im Schrifttum vertretenen Auffassung entsprach ein ge-
meinsamer Vorschlag des Bundesministers fur Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit (BMU),   des Bundesministers
fur Justiz (BMJ) und des Bundesministers des Inneren (BMI);
demnach  sollte ein Ubergreifender Kompetenztitel ,,Umwelt
im Bereich  der konkurrierenden  Gesetzgebung  des Art. 74




*) Der Aufsatz ist aus einem Vortrag hervorgegangen, den der Ver-
   fasser im Rahmen der vom Forschungszentrum fiir Umweltrecht
   am 22.4.2005 in Berlin abgehaltenen Tagung ,,Die Zukunft des
   Jagdrechts in der Bundesrepublik Deutschland gehalten hat.
   Nach  Abschluss des Manuskripts haben sich die Parteien der
   neuen Koalition am 711.2005 fiber eine Ftderalismusreform
   geeinigt. Dabei soil die bisherige Rahmengesetzgebung entfallen
   und u. a. auch das Jagdwesen, der Naturschutz und die Land-
   schaftspflege sowie der Wasserhaushalt zum Gegenstand der
   konkurrierenden Gesetzgebung werden. Diese Materien sollen
   vom  Erforderlichkeitskriterium des Art. 72 Abs. 2 GG ausge-
   nommen  werden. Dafar sollen die Ldnder kilnftig im Jagdwesen
   (auper beim Recht der Jagdscheine), beim Naturschutz und der
   Landschaftspflege (ausgenommen der Grundsdtze des Natur-
   schutzes, des Artenschutzes und des Meeresnaturschutzes) und
   beim Wasserhaushalt (mit Ausnahme stoff- oder anlagenbezo-
   gener Regelungen) von Bundesrecht abweichen diirfen. Gegen
   die Festlegungen im Koalitionsvertrag sind inz wischen allerdings
   Einwdnde aus der Koalition laut geworden
 1) So die Einsetzungsbeschlusse von Bundesrat und Bundestag,
   BT-Drs. 15/1685 S. 1; BR-Drs. 750/03 S. 1.
 2) So Baden-Wurttembergs Regierungschef Gunther Oettinger
    (CDU), der das Ziel einer F6deralismusreform zu den vier Be-
    dingungen fur die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen der
    Unionsparteien mit der SPD sieht; vgl. Financial Times Deutsch-
    land v. 30.9.2005, S. 14.
 3) Koch/Mechel, Naturschutz und Landschaftspflege in der Reform
   der bundesstaatlichen Ordnung, NuR 2004, 277; Schulze-Fielitz,
   Immissionsschutz und F6deralismus aus Sicht der Wissenschaft,
   in: Kloepfer (Hrsg.), Umweltf6deralismus, 2002, S. 287ff.; Mar-
   tens, Immissionsschutz und F6deralismus aus Sicht der Wirt-
   schaft, in: Kloepfer (a. a. O.), S. 257ff.; Schendel, Gewasserschutz
   und F6deralismus aus Sicht der Wirtschaft, in: Kloepfer (a. a. O.),
   S. 373 ff.; allg. zu den Vor- und Nachteilen eines umweltrecht-
   lichen Kompetenzzuwachses auf Seiten der Lander vgl. Kloepfer,
   F6deralismusreform und Umweltrecht, NuR 2004,759/762 f.
 4) Zum Stand der (rechtspolitischen) Diskussion uber die Schaf-
   fung einer einheitlichen Kodifikation des Umweltrechts Kloep-
   fer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 1 Rdnr. 40 ff.

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