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57 Der Staat 1 (2018)

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DER STAAT 57 (2018), 1 4
Duncker & Humblot, 12165 Berlin




                            EDITORIAL

               Identitätsprobleme von Verfassung, Staat
                    und Volk vor einhundert Jahren


  Das lange Jahr 1918, anhebend mit dem Januarstreik, endend mit der Ent-
scheidung des Reichsrätekongresses Mitte Dezember für die Wahl zur Natio-
nalversammlung im Januar 1919, steht im Zeichen des gescheiterten Ver-
suchs, das Kaiserreich durch Reformen zu erhalten. Dennoch ließ die Novem-
berrevolution trotz massiven Verfassungsbruchs und anschließender Umge-
staltung das Deutsche Reich in den Augen der Staatspraxis und der
Mehrheitsauffassung in der Staatsrechtswissenschaft als Rechtssubjekt
überdauern und als Staat fortbestehen. Entsprechend führte Hugo Preuß,
der gerne als Vater der Weimarer Reichsverfassung bezeichnet wird, am
2. Juli 1919 in der Weimarer Nationalversammlung aus, es gehe ‹um nichts
anderes als eine Verfassungsänderung, wenn auch eine tiefgreifende. An-
dernfalls müsse man annehmen, ‹das deutsche Staatsvolk als solches sei ver-
schwunden, sei völlig untergegangen, und es würde hier ein völlig neues erst
gegründet. Das wesentliche Argument für staatliche Identität und Konti-
nuität bildete danach die Konstanz des deutschen Staatsvolkes, wobei der
‹nationale Gemeinwille des deutschen Volkes bereits im Bismarckstaat
die entscheidende reale ‹politische Triebkraft abgegeben hätte, wie es bei
Preuß im posthum veröffentlichten Kommentarfragment ‹Reich und Län-
der heißt. Demgegenüber hatte seine Kriegsschrift ‹Das deutsche Volk
und die Politik (1915) die ‹Umbildung des deutschen Obrigkeitsstaates
zum Volksstaat noch als Notwendigkeit und Forderung präsentiert. Für
die Majoritätsposition steht insbesondere auch Gerhard Anschütz, der gleich
in der Einleitung zur Erstauflage seines führenden Kommentars zur Weima-
rer Reichsverfassung aussprach: ‹Die Verfassung hat gewechselt, der Staat
ist geblieben. Wiederum findet sich der Zusatz, schon das Kaiserreich sei
‹das nationale Gemeinwesen des deutschen Volkes gewesen, das ‹in seinem
Dasein und seiner Einheit statt auf Fürstenbund und Fürstenwillen ‹auf
dem Willen des Volkes geruht habe. Dagegen hatte Anschütz in seinem Bei-
trag ‹Deutsches Staatsrecht zur Enzyklopädie der Rechtswissenschaft von
1914 das Reich noch als eine ‹korporative Staateneinung, die selbst Staat
sei, gekennzeichnet. Gemäß dessen Staatsrecht sei dem Volk sein rechtlicher
Ort zugewiesen, namentlich in der Tradition der Revolution von 1848 im Rah-
men des Reichstags als ‹Volksvertretung im Sinne der konstitutionellen
Staatsordnung, d.h. zur Vermittlung des Einflusses ‹des Reichsvolkes auf
die Ausübung der Reichsgewalt durch Bundesrat und Kaiser. Augenschein-
lich bewirkte die Revolution auch bei Anschütz eine erstaunliche verfas-


DER STAAT 57 (2018) 1

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