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36 Natur und Recht 1 (2014)

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                                                                                          NuR  (2014) 36:1-12 1


 AUFSATZE


 DOI: 10.1007/s10357-013-2570-7

 Zur   gerichtlichen Kontrolle der Umweltprifung von BauleitpInen

Thomas Bunge


© Springer-Verlag 2014


Im April 2013 hat der Europdische Gerichtshof eine der Plan-
erhaltungsvorschriften des 5214 BauGBfur unvereinbar mit dem
Unioisrecht erklart, weil sie es nicht zulief, einen Bebauuitgsplan,
der entgegen der SUP-Richtlinie (2001/42/EG) ohite Umwelt-
prqfuitg erstellt worden war, in einem gerichtlichen Verfahren flr
nichtig zu erkldren. Diese spezielle Regelung (Abs. 2a Nr. 1 der
Norm)  ist inzwischen aufgehoben worden. Bei anderen Bestim-
mungen des 5214 BauGB  stellt sichjedoch ebenfalls die Frage, ob
sie mit den Jorgaben der Richtlinie in Einklang steheit. Sie wird
in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Der folgende Beitrag
befasst sich erneut mit der Thematik. Damit soll zugleich geklart
werden, ob sich j214 BauGB als Muster fir magliche ahnliche
Regelungen fiber andere Plan- oder Programmarten eignet, also fir
Jorschriften, nach denen nur ndher beschriebene Verfahrensfehler
bei der strategischen Umweltprffung zur Rechtswidrigkeit des
Plans oder Programmsffihren sollen.

1. Einleitung

Der  Europsische Gerichtshof hat mehrfach  deutlich ge-
macht,  dass auch die EU-Vorschriften tiber die strategi-
sche Umweltprifung   zwingendes Recht  sind: Unterbleibt
eine solche Prufung, obwohl sie erforderlich gewesen wire,
oder weist sie rechtserhebliche Fehler auf, so muss der be-
treffende Mitgliedstaat alle allgemeinen und besonderen
MaBnahmen ergreifen,   um  diese Mangel  zu beseitigen.1
Dabei handelt es sich nicht allein um ,,objektivrechtliche
Pflichten des Staates; vielmehr k6nnen sich auch Betrof-
fene und Umweltorganisationen auf die einschlagigen Vor-
gaben - die Richtlinie 2001/42/EG2 (,,SUP-Richtlinie) -
berufen.
  Das deutsche Recht lasst eine gerichtliche Kontrolle der
strategischen Umweltprifung   im  Grundsatz zwar  ohne
weiteres zu; allerdings ist der Rechtsschutz nicht einheitlich
geregelt und in den Einzelheiten ist vieles unklar. Im Allge-
meinen  kann die Rechtmif3igkeit von Planen und Program-
men  inzident gerichtlich iberprift werden, also im Rah-
men  einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,
der auf die planerischen Festlegungen gestatzt wird, oder
einer Verpflichtungsklage, wenn die Beh6rde ihre ableh-
nende Entscheidung  mit den Planvorgaben begrandet hat.
Fur Bebauungsplane  steht zusitzlich das Normenkontroll-
verfahren gemO   §47  VwGO   zur Verfigung;  dem  Bun-
desverwaltungsgericht zufolge lasst sich diese M6glichkeit
auch zur gerichtlichen Uberprifung einiger anderer Plan-
arten nutzen.3 Sowohl bei der Inzident- als auch bei der
Normenkontrolle  befasst sich das Gericht ebenfalls mit Ab-
lauf und Inhalt der Umweltprifung.
  Speziell bei der Bauleitplanung  schrankt freilich die
Planerhaltungsvorschrift des §214 BauGB  den Erfolg der
Rechtsbehelfe  deutlich ein. Sie erklart zahlreiche Pla-
nungsfehler - und auch bestimmte  Defizite der Umwelt-
prifung  - bei der Beurteilung  der Rechtmif3igkeit des
Plans fur unbeachtlich. Line dieser Vorgaben ist im April


Dr. Thomas Bunge, Direktor nnd Professor beim Umweltbundes-
amt a. D., Honorarprofessor fdr Umwelt- nnd Planungsrecht an der
Technischen Universitat Berlin a. D., Berlin, Deutschland


2013 vom  Europaischen Gerichtshof beanstandet worden.4
Das Urteil gibt erneut Anlass, auch die abrigen Bestim-
mungen  des §214 BauGB   auf ihre Konformitst hin zu un-
tersuchen, soweit sie fur die Umweltprfung  Bedeutung
besitzen. Einen Grund daffir bildet der Umstand, dass an-
dere neuere Entscheidungen des Gerichtshofs die Rechts-
behelfsmbglichkeiten der Umweltverbande deutlich erwei-
tert haben: das Trianel-Urteil vom 12. Mai 20115 und zuvor
bereits das sog. Braunbaren-Urteil vom 8. Marz 2011.6 Des-
wegen  wird innerstaatlich auf politischer Ebene nicht selten
angeregt, de lege ferenda - gewissermaBen im Gegenzug -
in solchen Verbandsklageverfahren die Kontrolldichte der
Verwaltungsgerichte zu beschrsnken. Das  aktuelle Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom  5. September  2013,'
das auf die europsische Rechtsprechung reagiert und die
Verbandsklagebefugnisse hierzulande erheblich ausgedehnt
hat, lasst erwarten, dass auch diese Thematik nun wieder
intensiver diskutiert wird.
  Im  deutschen  Raumordnungsrecht findet sich be-
reits seit 1998 eine derartige Planerhaltungsnorm.8 Auch
bei ihr handelt es sich um  eine Reaktion  darauf, dass
Raumordnungsplane schon in den 1990er Jahren ,,im-
mer hufiger  einer inzidenten Rechtskontrolle dutch die
Verwaltungsgerichte  unterzogen  wurden.9 In der  Fol-
gezeit erweiterte die Rechtsprechung  den Rechtsschutz
gegen  derartige Plsne noch: Sie stufte die darin festge-
legten raumordnerischen  Ziele als ,,Rechtsvorschriften
im  Sinn des §47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ein, so dass der-
artige Planaussagen nunmehr   ebenfalls mit Hilfe eines
Normenkontrollverfahrens   gerichtlich uberpruft werden


1) EuGH, Urt. v. 28.2.2012-C-41/11 (Inter-EnvironnementWallo-
  me und Terre wallonne), NuR 2012, 254, Rdnr. 46ff., Rdnr. 48 ff.
  auch zu eng begrenzten Ausnahmen). Mit der Pflicht zur inner-
  staatlichen Umsetzung der Richtlinie befasst sich der EuGH im
  Urt. v. 17.6.2010 - C-105/09 und C-110/09 (Terre wallonne und
  Inter-Environnement Wallonie), Slg. 2010, S. I-5611, und im Urt.
  v. 22.9.2011 - C-295/10 (Valdiukiene), NuR 2013, 486.
2) Richtlinie 2001/42/EG des Europaischen Parlaments und des Ra-
  tes vom 27.6.2001 fiber die Prnfung der Umweltauswirkungen be-
  stimmter Plane und Programme (ABI. EU Nr. L 197, S. 30).
3) Vgl. fur Abfallwirtschaftsplane BVerwG, Beschl. v. 20.12.1988 -
  7 NB 2.88, BVerwGE 81, 128ff.; fur Zielfestlegungen in Raum-
  ordnungsplanen BVerwG, Urt. v. 20.11.2003 - 4 CN 6.03,
  BVerwGE  119, 217, 221 ff. - NuR 2004, 362; fur bestimmte Dar-
  stellungen in Flachennutzungsplanen BVerwG, Urt. v. 26.4.2007
  - 4 CN 3.06, NuR 2007, 553.
4) EuGH, Urt. v. 18.4.2013 - C-463/11 (L gegen M), NuR 2013,
  563.
5) EuGH, Urt. v. 12.5.2011 - C-115/09 (Trianel), NuR 2011, 423 ff.
6) EuGH, Urt. v. 8.3.2011 - C-240/09 (Lesoochranirske zoskupe-
  nie VLK), NuR 2011, 346ff.
7) BVerwG, Urt. v. 5.9.2013 - 7 C 21.12, NuR 2014, 37.
8) 510 ROG 1997 (BGBl. I S. 2081, 2102); im ROG 2008 (BGBl. I
  S. 2986) wurde die Norm inhaltlich verandert als 512 Ubernom-
  men.
9) Begrindung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Ande-
  rung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der
  Raumordnung  (Ban- und Raumordnungsgesetz 1998 - Bau-
  ROG), BT-Drs. 13/6392, S. 85 zu 5 10.


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