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2007 Juristische Rundschau 1 (2007)

handle is hein.journals/jrcerdau79 and id is 1 raw text is: Januar Heft 1/2007

Private vaterschaftsgutachten im Zivilprozess
Von Dr. Annette Stylianidis, Düsseldorf*

Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit privater DNA-Analysen
zur Feststellung der Vaterschaft hat unlängst nicht zuletzt auf-
grund eines entsprechenden Gesetzesvorhabens der Bundes-
regierung (sog. Gendiagnostikgesetz)' sowie mehrerer - auch
höchstrichterlicher - Entscheidungen Aktualität erlangt. Dabei
kreist die rechtspolitische Diskussion vor allem um einen Aspekt
der Problematik2, nämlich die anschließende Verwertbarkeit der
unerlaubten privaten DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungs-
verfahren.
Diesbezüglich erteilte der BGH im Frühjahr 2005 eine Absage:
Die Ergebnisse einer heimlichen Abstammungsbegutachtung
können weder zur Begründung der Schlüssigkeit einer Anfech-
tungsklage noch als Beweismittel herangezogen werden3. Als
Reaktion wurden Stimmen laut, die eine Reform des Vater-
schaftsanfechtungsverfahrens forderten, um den »vermeintli-
chen« Vätern bei Zweifeln den Zugang zum Verfahren zu er-
leichtern4. Dahingehend zielte auch der Antrag der FDP-Fraktion
Anfang 20055.
Zudem warfen die BGH-Entscheidungen ein Folgeproblem
auf: Gerichte, die bisher ein heimliches Vaterschaftsgutachten zur
Schlüssigkeit der Klage genügen ließen und daraufhin eine Be-
weisaufnahme vor allem in Form der Einholung eines gericht-
lichen Abstammungsgutachtens durchführten, standen vor der
Frage, inwieweit diese gerichtlichen Gutachten nunmehr noch
verwertbar waren6.
Diese Abhandlung greift einige Aspekte des Themas auf, kon-
zentriert sich jedoch auf die in der jüngsten BGH-Entscheidung7
aufgeworfenen Problemfelder.
1. Einführung
Die Verwertbarkeit heimlicher Vaterschaftstests hat durch den
technischen Fortschritt der Abstammungsbegutachtung Bedeu-
tung erlangt. Was Anfang des 20. Jahrhunderts gerichtlich be-
stellten Sachverständigen vorbehalten war, hat sich heutzutage
auf dem privaten Sektor etabliert. Die in tatsächlicher Hinsicht
zugrunde liegende Konstellation stellt sich überwiegend wie folgt
dar: Ein Mann zweifelt an seiner biologischen Vaterschaft und
greift zu deren Überprüfung auf einen sog. privaten »Vater-
schaftstest« zurück, um die Abstammung zwischen ihm und
seinem vermeintlichen Kind mittels DNA-Analyse festzustellen.
Das Ergebnis dieses Vaterschaftsgutachtens bestätigt seine Zwei-
fel, indem es den Ausschluss seiner biologischen Vaterschaft
bescheinigt. Hat der vermeintliche Vater nicht die Einwilligung
des Kindes bzw. der sorgeberechtigten Mutter zur Durchführung
der DNA-Analyse eingeholt, verstößt die Vornahme gegen das in
Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierte informationelle
Selbstbestimmungsrecht, gegen § 4 BDSG und § 29 BDSG sowie
gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Kin-
des. Diese Beeinträchtigung ist nicht durch die entgegenstehen-
den Rechte des Vaters gerechtfertigt.
Der rechtliche Vater muss aber eine Vaterschaftsanfechtungs-
klage gemäß §§ 1600 ff. BGB gegen das Kind erheben, um die

rechtlichen Wirkungen seiner Vaterschaft zu beseitigen, § 1599
Abs. 1 BGB. Die Klage ist erfolgreich, wenn die ex lege oder durch
Willensakt erfolgte Zuordnung gemäß § 1592 BGB nicht mit der
biologischen Abstammung übereinstimmt9. Der Statusverlust
tritt rückwirkend mit dem rechtskräftigen Gestaltungsurteil
des gemäß § 1600 e Abs. 1 BGB zuständigen Familiengerichts
ein1°
II. Unverwertbarkeit unerlaubter privater Vater-
schaftsgutachten
Relevanz entfaltet das private Vaterschaftsgutachten in den
folgenden Bereichen einer Vaterschaftsanfechtungsklage.
1. Schlüssigkeit
Es stellt sich die Frage, ob der anfechtende Mann das aus-
schließende Ergebnis des unerlaubten Gutachtens im Rahmen
der Klageerhebung vortragen kann, um die Schlüssigkeitsan-
forderungen seines Vorbringens zu erfüllen.
a. Anforderungen an die Schlüssigkeit
Als Voraussetzung für das Anfechtungsrecht normiert § 1599
Abs. 1 BGB, dass der auf Grund von § 1592 Nr. 1 und 2 BGB
zugeordnete rechtliche Vater nicht der biologische Vater des
Kindes ist. Demnach könnte es für die Schlüssigkeit ausreichen,
wenn der Kläger sein Begehren im Sinne des § 1599 Abs. 1 BGB
formuliert, also nur eine anderweitige Abstammung des Kindes
unter Bezugnahme auf ein im Rahmen des Verfahrens zu er-
stellendes Abstammungsgutachten behauptet, ohne die Gründe
für seine Zweifel an der Abstammung darzulegen. Weiterhin
* Dr. med. Micheline Radzyner - Institut für Rechtsfragen der Medizin,
Heinrich-Heine-Universität.
1 Siehe den bisher unveröffentlichten Diskussionsentwurf des BMGS vom
15. 10.2004.
2 Vgl. zu weiteren Aspekten ST Y L IAN ID I s Rechtsfolgen privater Vater-
schaftsbegutachtung, Diss. Düsseldorf 2005.
3 BGH NJW 2005, 497; FamRZ 2005, 342.
4 BRoSius -GERSDORF Vaterschaftstests, Berlin 2006, S.128ff.; OHLY
JZ 2005, 626 (628); Staudinger/R AU s c H E R BGB, 4. Buch, Familienrecht,
Neubearb. Berlin 2004, Einl. zu §§1589ff. Rdn. 116; WELLENHOFER
FamRZ 2005, 665ff; ZUCK ZPR 2005, 117 ff.
5 BT-Drs. 15/4727.
6 Vgl. dazu BGH NJW 2006, 1657 ff. = FamRZ 2006, 686 ff., als Vorinstanz
OLG Dresden FamRZ 2005, 1491; siehe dazu unten unter III.
7 BGH NJW 2006, 1657 ff. = FamRZ 2006, 686 ff.
8 BGH NJW 2005, 497; FamRZ 2005, 342; siehe dazu STYLIANIDIS
(a. a. O. Fn. 2) S. 68 ff., 95 m. w. N.
9 G RÜN Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Berlin 2003, Rdn. 160;
RAUSCHER Familienrecht, Heidelberg 2001, Rdn. 797.
10 GRÜN (a.a.O. Fn.9) Rdn.160.
11 So OLG München FamRZ 1987, 969; OLG Hamburg FamRZ 1997, 1171;
MünchKomm/DAMRAU ZPO, Bd.2, 2.Aufl., München 2000, §372a
Rdn.5; DEMHARTER FamRZ 1985, 232 (235); ECKEBRECHT MDR
1999, 71 (72); Erman/H o L ZH AU E R BGB, Bd. 2, 11. Aufl., Münster 2004,
§ 1600 b Rdn. 4; RAUSCH ER (a. a. 0. Fn. 9) Rdn. 797; Staudinger/RAU-

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