About | HeinOnline Law Journal Library | HeinOnline Law Journal Library | HeinOnline

2006 Juristische Rundschau 1 (2006)

handle is hein.journals/jrcerdau78 and id is 1 raw text is: Januar Heft 1/2006

Der Einfluss des § 651 BGB auf das Eigentum am Werk
Dr. Fabian Klinck, Passau*

1. Problemstellung
Wird eine neue Sache hergestellt, weist § 950 I S. 1 BGB das
Eigentum an ihr dem Hersteller zu, wenn seine Verarbeitung
den Wert der Ausgangsstoffe nicht unwesentlich gesteigert hat.
Das Gesetz meint mit »Hersteller« in der Regel denjenigen, der
die Stoffe eigenhändig bearbeitet hat. In einer kapitalistischen,
arbeitsteiligen Industriegesellschaft, die Deutschland bei Schaf-
fung des BGB längst war, führte eine wortgetreue Anwendung der
Norm zu unpraktikablen Ergebnissen, unter anderem dazu, dass
der Fabrikarbeiter Eigentümer der von ihm hergestellten Pro-
dukte würde. Dem Gesetzgeber war es so selbstverständlich, dass
nicht der unselbständige Arbeiter, sondern der Unternehmer
»Hersteller« ist, dass er es ablehnte, in § 950 I S. 1 BGB den Zusatz
»oder herstellen lässt« aufzunehmen'. Eine weitere Ausnahme
von dem Prinzip, dass dem eigenhändig Verarbeitenden als
»Hersteller« das Eigentum an der neuen Sache zufallen soll,
hat sich für den Werkvertrag alten Rechts durchgesetzt: Sollte
der Unternehmer ein Werk aus Stoffen des Bestellers herstellen,
dann sah man nicht jenen, sondern diesen als »Hersteller« im
Sinne des § 950 I S. 1 BGB an und sprach ihm somit das Eigentum
zu2. Dies hat eine lange Tradition, die in das klassisch-römische
Recht zurückreicht3. Für die Rechtslage nach dem BGB berief
man sich unter anderem darauf, dass das vor der Modernisierung
des § 651 BGB anwendbare Werkvertragsrecht vom Eigentum des
Bestellers am Werk ausgeht: Es sieht keine Übereignungspflicht
des Unternehmers vor, jedoch ein Pfandrecht des Unternehmers
(§ 647 BGB), das nach geltendem Recht an dessen eigener Sache
nicht bestehen kann4.
Nach der Modernisierung des Schuldrechts lässt sich so nicht
mehr argumentieren. Während nämlich nach § 651 BGB a. F. nur
dann Kaufrecht galt, wenn der Unternehmer eine Sache aus ihm
gehörenden Stoff herstellen sollte, gilt nach § 651 n. F. Kaufrecht
nun in allen Fällen, in denen die Parteien die Herstellung einer
neuen Sache vereinbaren, also auch dann, wenn der Unterneh-
mer die Sache aus Stoffen des Bestellers herstellen soll. Einer
Verarbeitung, die den Tatbestand des § 950 BGB erfüllt, kann also
kein Werkvertragsrecht mehr zugrunde liegen; die Frage, wer im
Rahmen eines Werkvertrages »Hersteller« im Sinne des § 950
BGB ist, stellt sich nicht mehr 6.
Wenn man mit der bislang herrschenden Meinung weiterhin
den Besteller - nun und im Folgenden im Sinne des Vertrages
nach § 651 BGB n. F. - als »Hersteller« im Sinne des § 950 I S. 1
BGB ansieht und ihm so das Eigentum an der vom Unternehmer
hergestellten Sache zuspricht, geht die Eigentumsverschaffungs-
pflicht des Unternehmers gemäß §§ 651 S. 1, 433 I S. 1 BGB ins
Leere, da der Besteller ipso iure Eigentümer des Werks wird.
Daher wächst die Zahl derer, die meinen, man müsse nunmehr
den Unternehmer als Hersteller und Eigentümer der hergestellten
Sache ansehen7. Dem ist zu widersprechen.

* Der Autor ist wiss. Assistent am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivil-
prozessrecht sowie Internationales Privatrecht (Prof. Dr. W. Hau) der
Universität Passau.
1 Prot. der Ersten Kommission, 4064 (= JAKOBS/SCHUBERT, Die Bera-
tungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht I, 1985, 652 .). § 149
des Vorentwurfs Sachenrecht von JOHOw (bei: JAKOBS/SCHUBERT,
Die Vorentwürfe der Redaktoren, Sachenrecht I,1982), lautete noch: »Wer
durch Verarbeitung eines Stoffes oder mehrerer Stoffe eine neue beweg-
liche Sache für sich herstellt oder herstellen lässt, erwirbt das Eigentum
derselben, auch wenn der Stoff ganz oder theilweise einem Anderen
gehörte.«
2  BGHZ 14, 114 (117); WIELING, Sachenrecht I, 1990, § 11 11 4i, S.433;
SCHWAB/PRÜTTING, Sachenrecht, 31.Aufl. 2003, Rdn.465; BREHM/
BERGER, Sachenrecht, 2000, §28 Rdn. 19; MünchKommBGB/FÜL L E R,
4.Aufl. 2004, §950 Rdn.20; Palandt/BASSENGE, 64.Aufl. 2005, §950
Rdn. 10; Soergel/HENSSLER, 13.Aufl. 2002, §950 Rdn. 17; Erman/EB-
BING, 11.Aufl. 2004, 950 Rdn.7; WESTERMANN/GURSKY, Sachen-
recht, 7.Aufl. 1998, §53 III 2d, S.437ff.; Staudinger/WIEGAND, 1995,
§950 Rdn.38. -Anders noch BRODMANN, JherJahrB 79 (1928), 128
(132), und E. WOLF, Sachenrecht, 2.Aufl. 1979, §4 G III £, S.200f.
3 Zwar stritten die beiden großen klassischen Rechtsschulen darum, ob der
Stoffeigentümer - so die Sabinianer - oder der Verarbeitende - so die
Prokulianer - Eigentümer der neuen Sache werden sollte, vgl. dazu
KA SER, Römisches PrivatrechtI, 2. Aufl. 1971, § 1021116,431; WIELING
(N. 2), § 1111 4 a, S. 425. Aber dieser Streit bestand nur für den Fall, dass
der Verarbeitende ohne fremden Auftrag handelte, vgl. das suo nomine in
Gaius D. 41, 1, 7, 7. Wurde Material eines Dritten dagegen in dessen
Auftrag bearbeitet, war es selbstverständlich, dass er auch Eigentümer des
Produkts wurde, MAYER- MALY, SZ Rom. Abt. 73 (1956), 120 (129 ff.);
nun RE IT z, Der Tatbestbestand der Verarbeitung im § 950 in rechts-
historischer und rechtsdogmatischer Sicht, 1996, S. 57 ff. Diese ihrer
These entgegenstehende Differenzierung spart RöT H EL aus, NJW
2005, 625 (628 Fn.43).
4  So argumentiert sehr anschaulich etwa WEST E RMANN/GURSKY, Sa-
chenrecht (N. 2), § 53 III 2 d, S.437. Kritisch zu dieser Argumentation
WO    E /RAISE R, Sachenrecht, 10. Aufl. 1957, § 73 IIIFn. 16: §647 BGB
setze das Eigentum des Bestellers voraus, ordne es jedoch nicht für die
Fälle an, in denen es nicht besteht.
5 Anders noch § 63111 des Entwurfs der Kommission zur Überarbeitung des
Schuldrechts (KE), der eine Übereignungspflicht nur vorsah, wenn der
Unternehmer das Werk aus von ihm zu beschaffenden Stoffen herzustellen
hatte, und wonach Kaufrecht nur bei Herstellung vertretbarer Sachen
gelten sollte. Ohne Differenzierung nach der Herkunft des Stoffes schon
§ 631 III des Diskussionsentwurfs (DiskE) und § 651 S. 1 DiskE in der
konsolidierten Fassung, ohne Begründung für die sachliche Änderung
gegenüber dem KE.
6 Dennoch wird diese Frage auch in der neueren Literatur durchgängig
noch behandelt, vgl. etwa SCHWAB/PRÜTTING (N.2), Rdn. 465; Er-
man/E B B ING (N. 2), § 950 Rdn. 7; MünchKommBGB/FÜLLE R (N. 2),
§950 Rdn.20; Palandt/BA S SENGE (N.2), §950 Rdn.10.
7  Neben HAGEN, JZ 2004, 713 (716 ff.), nun auch RöTHEL, NJW 2005,
625 ff. -VOLT, BauR 2002, 145 ff., und D E R S. in Bamberger/Roth, 2003,
§651 Rdn. 10, will §651 S. 1 BGB und damit Kaufrecht nur anwenden,
wenn der Unternehmer Eigentümer der neuen Sache wird, was gegen das
Gesetz (§ 651 S. 2 BGB), jedenfalls aber gegen den Willen des Gesetzgebers
und wohl auch gegen das Gebot einer effektiven Umsetzung der Ver-
brauchsgüterkaufrichtlinie verstößt, dazu MANKOwSKI, MDR 2003,
854; HAGEN, JZ 2004, 713 (714), undRöTHEL, NJW 2005, 625 (626).-
Unklar ist die Haltung von PETERS: Nach Staudinger/P E T ER S, 2003,
§ 651 Rdn. 7, soll Kaufrecht zwar nur anwendbar sein, wenn die Leistung
des Unternehmers nicht erheblich weniger wert ist als der bearbeitete Stoff
des Bestellers, der Unternehmer also Eigentümer der neuen Sache wird.
Nach Rdn. 16 aber soll einer Anwendung des Kaufrechts nach § 651 S. 1
BGB nicht entgegenstehen, dass der Besteller Eigentümer des herzustel-
lenden Werkes wird.

What Is HeinOnline?

HeinOnline is a subscription-based resource containing thousands of academic and legal journals from inception; complete coverage of government documents such as U.S. Statutes at Large, U.S. Code, Federal Register, Code of Federal Regulations, U.S. Reports, and much more. Documents are image-based, fully searchable PDFs with the authority of print combined with the accessibility of a user-friendly and powerful database. For more information, request a quote or trial for your organization below.



Short-term subscription options include 24 hours, 48 hours, or 1 week to HeinOnline.

Contact us for annual subscription options:

Already a HeinOnline Subscriber?

profiles profiles most