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1931 Juristische Rundschau 1 (1931)

handle is hein.journals/jrcerdau7 and id is 1 raw text is: Nr. 1                             Juristische Rundschau vom   1. Januar 1931

Ist der Anspruch auf Ersatzheraus-
gabe (B.G.B. § 281) auf dingliche
Ansprüche anwendbar?
Von Professor Dr. P a ul O e r t m an n in
Göttingen.
Die Frage meines Themas bedarf schon des-
halb weiterer Untersuchung, weil zwei Senate
des höchsten Gerichtshofes sie im letzten Jahr-
zehnt verschieden beantwortet haben. ZS. VI v.
26. Juni 1922, Entsch. 105 Nr. 24 S. 88 bejahend,
ZS. IV. v. 28. Oktober 1926, das. 115 Nr. 8 S. 31
f. verneinend; letzteres im Einklang mit und
unter Berufung auf die anscheinend ständige
Praxis des Hanseatischen Oberland.Gerichts (s.
Hans. G. Z. 24 Nr. 50 Fall 153, Hans. R. Z. 25
Sp. 784 f., LZ. 25 Sp. 609, 26 Sp. 594, J. W. 26
S. 2775, s. auch die Angabe in R. G. Entsch.
115 S. 32). In der Literatur überwiegt gleichfalls
die verneinende Ansicht, so H a y m a n n Jahrb.
Dogm. 77 S. 287 f., W e d e m e y e r J. W. a. a.
0. (Anmerkung), W e r n e r das. 27 S. 1141 f.,
O e r t m a nn Kommentar zu § 281 Z. 8; doch
haben gerade in jüngster Zeit H e c k, Grundriß
des Schuldrechts 1929, S. 104 und Sachenrecht
S. 127-128 kurz, und D ö I1 e, Die Reichsge-
richtspraxis im  deutschen Rechtsleben 1929,
Bd. III S. 22 f. ausführlicher sich f ü r die An-
wendbarkeit ausgesprochen. Wir sind daher von
einer Einmütigkeit noch weit entfernt.
Wenn ich an meiner verneinenden Ansicht
festhalte, so bin ich dabei von apriorischen Ge-
sichtspunkten aus dem Wesen der dinglichen An-
sprüche so weit entfernt wie nur möglich.
Freilich stehe ich im Gegensatz zu S i b e r und
anderen auf dem Standpunkt, daß der dingliche
Anspruch sich vom schuldrechtlichen nicht nur
im Entstehungsgrund, sondern auch in der in-
haltlichen Eigenart weitgehend unterscheide.
Aber ich gebe selbstverständlich zu, daß die
Ähnlichkeit beider Ansprüche groß genug ist,
um eine weitgehende Anwendung der schuld-
rechtlichen Regeln auf die Ansprüche des Sa-
chenrechts zu rechtfertigen, eine Anwendbar-
keit, wie sie bekanntlich in §§ 9902, 1146 als
selbstverständlich möglich unterstellt wird und
auch wohl aus § 413 mit genügender Deutlich-
keit gefolgert werden kann. Aber diese Anwen-
dung kann selbstverständlich immer nur eine
entsprechende sein und muß überall da
entfallen, wo sie zu sinnwidrigen oder prak-
tisch unerfreulichen Ergebnissen führen würde.
Letzteres gilt, wie man unschwer einsehen
kann, unter anderem hinsichtlich der mit der
Leistungsunmöglichkeit  zusammenhängenden
Fragen. Der schuldrechtliche Anspruch erlischt
auf der einen Seite nicht mit dem Besitzverlust
des Schuldgegenstandes beim Schuldner, wenn
und soweit nämlich diesem eine Wiedererlan-
gung des verlorenen Gegenstandes, sei es auch nur
mittelst Inanspruchnahme des jetzigen Besitzers,
noch möglich Ist und zugemutet werden kann.

Er erlischt andererseits mit Eintritt dieser Un-
möglichkeit nicht nur subjektiv, sondern über-
haupt, objektiv, vorbehaltlich nur eines Ersatz-
oder Surrogatioisanspruchs gegen den Schuld-
ner, denn dritte Personen werden bekanntlich durch
den schuldrechtlichen Anspruch nicht berührt. Der
dingliche Anspruch als solcher dagegen endet
einerseits durch den Besitzverlust s u b j e k t i v,
in der Person des bisherigen Anspruchsgegners,
schlechthin - nur vom Besitzer kann der
Eigner seine Sache vindizieren, § 985, nicht kann
er von ihm nach verlorenem Besitz die Rück-
schaffung derselben aus der Hand des neuen Be-
sitzers heischen, auch wenn sie ihm noch so
leicht fallen sollte. Andererseits ist mit dieser
subjektiven Wirkung des Besitzverlustes eine
o b j e k t i v e Erledigung des klägerischen An-
spruchs in keiner Weise gegeben: ist der An-
spruch wider den Erstbesitzer weggefallen, so
kann dafür ein solcher wider den Zweit-, Dritt-
besitzer usw. an die Stelle treten. Allerdings ist
es natürlich nicht d e r s e 1 b e Anspruch, der
durch eine Art Schuldnachfolge auf den Neube-
sitzer überging (so zu Unrecht H e 11 w i g Lehr-
buch I S. 288 f., W o 1f f Sachenrecht § 84 Anm.
21), vielmehr erzeugt sich die Passivlegitimation
für den Anspruch in der Person jedes folgenden
Besitzers neu, was sich schon dadurch ergibt;
daß die besondere Stellung als gut-, schlecht-
gläubiger Besitzer usw. nicht auf den Nachfol-
ger übergeht, sondern sich jedesmal nach den
Verhältnissen des jeweiligen Besitzers besonders
bestimmt.
Will man trotzdem das Wort ,,Unmöglichkeit
- oder ,Unvermögen - auf die Fälle eines
Besitzverlustes bei dem dinglichen Anspruchs-
gegner anwenden, so darf man zum mindesten
nicht übersehen, daß die B e d e u t u n g hier eine
ganz andere ist als bei schuldrechtlichen An-
sprüchen - der bisherige Anspruch geht nicht,
vorbehaltlich nur der etwaigen Umwandlung in
einen Ersatzanspruch, ganz unter, vielmehr tritt
ohne weiteres anstelle des ersten Anspruchs ein
inhaltlich wesentlich gleichartiger, weil gleich-
falls auf Sachherausgabe gerichteter, neuer, so-
bald ein zweiter Besitzer auftritt.
Darin liegt von vornherein ein bedeutender
Unterschied gegenüber der Rechtslage im Falle
des § 281. Hier ist dem Schuldner die Leistung
unmöglich geworden; ein Dritter, der jetzt auf
diese verpflichtet wäre, ist nicht vorhanden, und
man kann die Interessen des Gläubigers, von
der vielfach fragwürdigen Verweisung auf die
Bereicherungsansprüche abgesehen, nur dadurch
wahren, daß man ihm jetzt einen Anspruch auf
den vom Schuldner infolge der Leistungsun-
möglichkeit etwa erlangten Ersatz gibt - das
ist die Rechtfertigung des § 281.
Beim dinglichen Anspruch werden die In-
teressen des Gläubigers ohne Zuhilfenahme des
Surrogationsprinzips auf a n d e r e Weise ge-
wahrt: kommt die Sache aus dem Besitz des

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Juristische Rundschau vom 1. Januar 1931

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