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55 Dtsch. Z. Ges. Gerichtl. Med. 1 (1964)

handle is hein.journals/injlegame55 and id is 1 raw text is: Erganzender Bericht
iber den strafrechtlich psychiatrischen Teil der 41. Tagung
der Deutschen Gesellschaft fur Gerichtliche und Soziale Medizin
in Munster i. Westf. am 30. September 1962
Vorsitzender: A. Ponsold, Munster i. Westf.
P. Bockelmann (Heidelberg): Willensfreiheit undZurechnungsfihigkeit.
Zu Beginn seiner Ausfuhrungen stellt Prof. B. fest, daB sowohl
die agnostische Richtung der Psychiatrie, wonach wissenschaftlich
begrundbare Aussagen fiber Zurechnungsfahigkeit oder Unzurechnungs-
fahigkeit nicht moglich sind, als auch die gnostische Richtung, wonach
derartige Aussagen wohl moglich, aber nur vom Psychiater gemacht
werden konnen, nicht ,,den Richter aus seinem       Amt verdrangen
wollten. Wahrend die erste Richtung dem Richter jedoch die Aufgabe
zuschiebe, die Verantwortung fnr das Schuldurteil ganz allein zu fiber-
nehmen, beschrinke sich nach der gnostischen Richtung die Funktion
des Richters lediglich darauf, aus dem psychiatrischen Gutachten die
Konsequenzen zu ziehen.
Es sei aber nicht seine - BOCKELMAvNs - Aufgabe, in diesem
internen Schulstreit der psychiatrischen Richtungen zu vermitteln,
er wolle vielmehr nur den Versuch machen zu sagen, was ein Jurist
eigentlich unter Zurechnungsfahigkeit versteht und wie seine Bitte
an die Psychiater gemeint ist, ihm bei der Bildung seines Urteils nber
die Zurechnungsfahigkeit zu helfen.
Auch den Juristen sei klar, daB die Handlung eines Taters nicht das
Resultat eines im nfichternen Kalkfil des Fur und Wider gefaBten Ent-
schlusses ist, bei dem der Tater von seiner Freiheit, sich ffr das Rechte
oder Unrechte zu entscheiden, kohl abwagend Gebrauch gemacht hatte.
Auch durch die Aufdeckung der Finalstruktur mensehlichen Handelns
lasse sich die Behauptung, daB der Mensch frei handeln konne, nicht
beweisen. Und dennoch: Wo diese Gesetzlichkeit bei einem Menschen
zerstort oder bis zu einem erheblichen Grade gestbrt ist, dort werde er
als ein Unzurechnungsfahiger betrachtet.
DaB zu den Gest6rten zunschst alle Psychotiker zu zahlen sind,
darnber besteht Ubereinstimmung. Das Gesetz begniigt sich jedoch
keineswegs damit, die Geisteskrankheiten fur sich allein als Voraus-
setzung fur den AusschluB der Zurechnungsfahigkeit zu rechnen,
Dtsch. Z. ges. geridchtl. Med., Bd, 55                  1

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